Der Angeklagte betrieb im Saarland im Zeitraum zwischen Oktober 2003 bis März 2004 ein Wettbüro, in dem auch die Beteiligung an Sportwetten mit festen Gewinnquoten (sog. Oddset-Wetten) einer auf der Isle of Man ansässigen Firma angeboten wurden. Eine behördliche Erlaubnis besaß der Angeklagte nicht. Das Landgericht hat dahingestellt sein lassen, ob das strafbewehrte Verbot unerlaubten Glücksspiels gegen europäisches Gemeinschaftsrecht und/oder deutsches Verfassungsrecht verstößt; es hat den Angeklagten vielmehr vom Vorwurf der unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels (§ 284 StGB) freigesprochen, weil er sich wegen der unklaren Rechtslage in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden habe. Gegen den Freispruch hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt.
Das Rechtsmittel blieb erfolglos. Der Senat hat die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe sich in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden, im Ergebnis bestätigt.
Es bedurfte deshalb keiner Vorlage der Sache an das Bundesverfassungsgericht zur Klärung der Frage, ob die gesetzliche Regelung über das Sportwettenmonopol im Saarland im Tatzeitraum verfassungsgemäß war. Der Senat hat indes zum Ausdruck gebracht, dass er unter Anwendung der tragenden Erwägungen der zum staatlichen Wettmonopol im Freistaat Bayern ergangenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 (1 BvR 1054/01) die Strafnorm des § 284 StGB auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht für anwendbar erachtet hätte.
Nach dieser Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts stellte das staatliche Wettmonopol in seiner gesetzlichen und tatsächlichen Ausgestaltung einen unverhältnismäßigen und deshalb mit Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbaren Eingriff in die Berufsfreiheit der an entsprechender beruflicher Tätigkeit interessierten Personen dar; denn ein solches Monopol sei verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt, wenn es konsequent an seinem legitimen Hauptzweck ausgerichtet werde, nämlich an der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht. Daran fehlte es in Bayern, weil dort der Vertrieb der Sportwette Oddset dem Erscheinungsbild der wirtschaftlich effektiven Vermarktung einer grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung entsprach.
Diese Beurteilung der Rechtslage durch das Bundesverfassungsgericht trifft nach Auffassung des Senats für den Tatzeitraum auch auf das Saarland zu. Auch dort war deshalb im Tatzeitraum die Berufsfreiheit des privaten Sportwettanbieters einem unverhältnismäßigen, mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbaren Eingriff ausgesetzt.
Unter diesen Umständen vermag nach Auffassung des Senats - jedenfalls in Fällen, die sich vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ereigneten (sog. Altfälle) - der bloße Verstoß gegen das Verbot, ohne behördliche Erlaubnis als Privater Sportwetten anzubieten oder zu vermitteln, die Verhängung von Kriminalstrafe nicht zu rechtfertigen. Nach Auffassung des Senats könnte § 284 StGB deshalb auf das Verhalten des Angeklagten nicht angewendet werden. Diese Auffassung des Senats betrifft ausschließlich die strafrechtlichen Konsequenzen ungenehmigter Veranstaltung bzw. Vermittlung von Sportwetten in Altfällen, nicht hingegen die verwaltungsrechtliche Frage, ob und inwieweit eine entsprechende Betätigung Privater ordnungsrechtlich unterbunden werden durfte.
Urteil vom 16. August 2007 - 4 StR 62/07
Landgericht Saarbrücken - 8-31/04 - Urteil vom 25. Juli 2006
Karlsruhe, den 16. August 2007
§ 284 Abs. 1 StGB hat folgenden Wortlaut: "Wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtung hierzu bereitstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
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