von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
Insbesondere bei den deutschen Sportwetten-Verfahren wird vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) eine weitere Klärung der Rechtslage erwartet. Zu den Vorlagen der Verwaltungsgerichte Stuttgart und Gießen (verbundene Rechtssachen C-316/07 u. a. - „Markus Stoß“) und der Anfang 2008 vom Verwaltungsgericht Schleswig eingereichten Rechtssache C-46/08 („Carmen Media Group“) wird Generalanwalt Paolo Mengozzi seine Schlussanträge am Donnerstag, den 4. März 2010, 9:30 Uhr, verkünden.
Die erstere Sache betrifft den binnengrenzüberschreitenden Sportwettenvertrieb über Annahmestellen in Baden-Württemberg und Hessen (Klagen gegen Untersagungsverfügungen von Ordnungsämtern), während der in Gibraltar staatlich zugelassene Buchmacher Carmen Media seine Wettdienstleistungen über das Internet auch in Deutschland anbieten wollte.
Beide Sachen waren am 8. Dezember 2009 vor der Großen Kammer des EuGH verhandelt worden. Unstrittig war bei der Verhandlung, dass das von den deutschen Ländern beanspruchte Monopol die Grundfreiheiten einschränkt, da Wettanbieter aus anderen EU-Mitgliedstaaten nach nationalem Recht (hier das Landesrecht der deutschen Bundesländer, vereinheitlicht im Glücksspielstaatsvertrag) ihre Dienstleistungen nicht in Deutschland anbieten und bewerben dürfen. Höchst umstritten war dagegen die Frage, ob diese Einschränkung aus den von Deutschland vorgebrachten Gründen gerechtfertigt ist.
Im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung kommt es maßgeblich darauf an, ob und inwiefern die nationalen Regelungen in sich schlüssig, d.h. kohärent sind bzw. sein müssen und wie weit insoweit der Ermessens- und Beurteilungsspielraum des einschränkenden Mitgliedstaats geht. Schwerpunkt der Verhandlung vor der Großen Kammer war dem entsprechend Umfang und Reichweite der europarechtlich erforderlichen Kohärenz- und Konsistenzprüfung. Hier stellen sich zahlreiche Fragen: Reicht es aus, nur den „Sektor“ der Wetten bzw. Sportwetten (ohne die gleich strukturierten, aber in Deutschland rechtlich völlig anderes geregelten Pferdewetten) systematisch und kohärent zu regeln (sog. „vertikale“ Kohärenz), ohne das vergleichbare und/oder substituierbare Glücksspielarten zu berücksichtigen wären? Oder muss der einschränkende Mitgliedstaat insgesamt eine systematische kohärente Glücksspielpolitik verfolgen (insbesondere ein einheitliches Schutzniveau) und sämtliche Glücksspielformen kohärent regeln („horizontale“ Kohärenz)? Wie sind die vom Mitgliedstaat vorgebrachten zwingenden Gründe des Allgemeinwohls bei der Rechtfertigungsprüfung zu berücksichtigen? Kommt es bei dem von Deutschland als zwingender Grund genannten Ziel der Spielsuchtbekämpfung auch auf die Substituierbarkeit an, d.h. ist es von Bedeutung, ob Glücksspielkunden in weniger regulierte Glücksspielarten (v.a. die in Deutschland lediglich dem Gewerberecht unterliegenden Glücksspielautomaten) abwandern, so dass dieses Ziel letztlich konterkariert wird?
Es ist zu hoffen, dass die Schlussanträge eine weitere Klärung zu dem Spannungsverhältnis zwischen Binnenmarkt und Dienstleistungsfreiheit einerseits und nationalen Befindlichkeiten sowie Monopolgewinnen andererseits bringen werden. Nachdem Generalanwalt Yves Bot bereits zu anderen Vorlagen Schlussanträge veröffentlicht hat, werden von Generalanwalt Mengozzi etwas frischere Ideen erwartet. Der EuGH ist an diese Schlussanträge nicht gebunden, folgt ihnen aber in der deutlichen Mehrheit der Fälle. Die Urteile des EuGH sind in den nächsten Monaten zu erwarten.
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