Mittwoch, 14. März 2007

Unibet-Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum effektiven Rechtsschutz

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in dem am 13. März 2006 verkündeten Unibet-Urteil noch einmal die Bedeutung des effektiven Rechtsschutzes gegen europarechtswidrige nationale Maßnahmen hervorgehoben. Der EuGH beantwortete damit von dem schwedischen Höchstgericht (Högsta domstolen) vorgelegte Fragen (Rechtssache C-432/05, Unibet (London) Ltd und Unibet (International) Ltd gegen Justitiekanslern).

In dem den britischen Buchmacher Unibet betreffenden Verfahren ging es um die Frage der Rechtsschutzmöglichkeit bezüglich einer gegen die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) verstoßenden nationalen Vorschrift. So fragte das schwedische Gericht, ob sich aus dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes die Zulässigkeit einer Klage ergebe, den Verstoß einer bestimmten nationalen Vorschrift gegen die Dienstleistungsfreiheit festzustellen. Der EuGH stellte fest, dass es einem von einer derartigen nationalen Vorschrift Betroffenen wie Unibet nach schwedischem Recht nicht verwehrt ist, die Vereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften, wie z. B. des Lotteriegesetzes, mit dem Gemeinschaftsrecht in Frage zu stellen, sondern dass es dafür verschiedene inzidente Rechtsbehelfe gibt.

So könne Unibet im Rahmen einer Schadensersatzklage vor den ordentlichen Gerichten prüfen lassen, ob das schwedische Lotteriegesetz mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei (Rn. 56). Aus der Vorlageentscheidung gehe hervor, dass Unibet eine solche Klage erhoben habe und diese zugelassen worden sei. Mit einer derartigen Schadensersatzklage könne Unibet die durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte effektiv schützen lassen. Darüber hinaus habe Unibet die Möglichkeit, im Rahmen eines vor einem Verwaltungsgericht oder einem ordentlichen Gericht angestrengten Verfahrens einen Verstoß dieser Bestimmungen gegen das Gemeinschaftsrecht zu rügen. Gegebenenfalls dürfte das zuständige Gericht die Bestimmungen dieses Gesetzes, die seiner Auffassung nach gegen das Gemeinschaftsrecht verstießen, nicht anwenden (Rn. 62).

Hinsichtlich des vorläufigen Rechtsschutzes weist der EuGH darauf hin, dass ein mit einem nach Gemeinschaftsrecht zu beurteilenden Rechtsstreit befasstes nationales Gericht in der Lage sein muss, vorläufige Maßnahmen zu erlassen, um die volle Wirksamkeit der späteren Gerichtsentscheidung über das Bestehen der aus dem Gemeinschaftsrecht hergeleiteten Rechte sicherzustellen (Rn. 67 und 75). Ist die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs, der die Wahrung der dem Einzelnen durch das Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten soll, ungewiss, verlangt der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes, dass das nationale Gericht gleichwohl schon in diesem Stadium die vorläufigen Maßnahmen treffen kann, die erforderlich sind, um die Wahrung der betreffenden Rechte zu sichern (Rn. 72).

Für den Erlass vorläufiger Maßnahmen zur Aussetzung der Anwendung nationaler Bestimmungen, bis das zuständige Gericht über deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht entschieden hat, gelten die durch das vom zuständigen Gericht anzuwendende nationale Recht festgelegten Kriterien. Diese Kriterien dürfen jedoch weder weniger günstig ausgestaltet sein als die für entsprechende innerstaatliche Klagen (Grundsatz der Gleichwertigkeit), noch dürfen sie die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität).

Kommentar: Der EuGH betont noch einmal die Bedeutung des effektiven Rechtsschutzes gegen nationale Vorschriften, die die durch den EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten unzulässig einschränken. Insbesondere der Grundsatz der Effektivität ist von den deutschen Gerichten zu beachten. Zumindest bislang haben die deutschen Verwaltungsgerichte in den von Sportwettenvermittlern gegen Untersagungsverfügungen eingeleitete einstweilige Rechtsschutzverfahren die Hauptsache faktisch vorweggenommen, da die Vermittler bei einer mehrmonatigen Untersagung wirtschaftlich ruiniert waren. Bei der erforderlichen Interessenabwägung hat dieser Gesichtspunkt allerdings bislang keine maßgebliche Rolle gespielt. Das Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen hatte sogar trotz festgestellten Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht eine Übergangsregelung „erfunden“ und damit jegliche Rechtsschutzmöglichkeiten der Betroffenen ausgehebelt (mehr als 200 Beschlüsse, Pilotfall: Beschluss vom 28.6.2006, Az. 4 B 961/06, vgl. Sportwettenrecht aktuell Nr. 36). Gerade bei Eilverfahren in verwaltungsgerichtlichen und UWG-Fällen ist daher darauf zu achten, dass eine durch das Gemeinschaftsrecht garantierte Rechtsposition nicht unwiederbringlich so zerstört wird, dass dem Betroffenen keine Rechtschutzmöglichkeiten mehr bleiben, insbesondere auch eine langwierige Schadensersatzklage keinen hinreichenden Rechtsschutz bietet. Im Zweifelsfall gebietet es das Europarecht, dem Betroffenen zunächst Vollstreckungsschutz zu gewähren.

aus: Sportwettenrecht aktuell Nr. 73

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