Betreff: Glücksspielwerbung
Zu Ihrem Schreiben vom 4. Mai 2007 nimmt das Bundesministerium für Finanzen wie folgt Stellung:
Zur Frage 1:
Einleitend ist festzuhalten, dass sich der österreichische Gesetzgeber im Bereich des Glücksspiels seit jeher um eine differenzierte Rechtslage bemüht hat, die Verhältnismäßigkeitserwägungen ausreichenden Raum gibt. Je nach Gefährdungslage sollten daher möglichst gelinde Regulierung mittel eingesetzt werden, um die ordnungspolitischen Vorstellungen von Suchtprävention, Spielerschutz und Abwehr von Begleitkriminalität bestmöglich zu verwirklichen. In diesem Zusammenhang ist auch die österreichische Differenzierung zwischen Sportwetten und Glücksspielen zu nennen.
In Anknüpfung an zivilrechtliche Traditionen ist der österreichische Gesetzgeber davon ausgegangen, dass Glücksspiel insbesondere durch seine überwiegende Fremdbestimmtheit in reinen Zufallselementen besonders problematisch ist und sich in dieser differentia specifica von anderen zivilrechtlichen Rechtsgeschäften deutlich unterscheidet. Durch das aleatorische Moment ist der Gegenwert des Rechtsgeschäftes für den Spieler beim Leisten seiner Einsätze nicht abschätzbar und sind unüberlegte Handlungen und Übervorteilungen besonders zu befürchten. Daher hat sich der österreichische Gesetzgeber durch eine Monopolisierung dazu entschlossen, nur ein eingeschränktes, streng kontrolliertes Anbieten von Glücksspiel zuzulassen, das besondere Schutzmaßnahmen des Staates etablieren kann. Dieses Monopol des Bundes wird über ein Konzessionssystem ausgeübt, das strenge Spielerschutz- und Aufsichtsmaßnahmen kennt.
Sportwetten sind dem gegenüber typischerweise nicht rein zufallsbestimmt, sondern beinhalten zahlreiche Geschicklichkeits- und Wissenselemente (etwa Wissen um die Biographie der Sportteilnehmer und ihre bisherigen Wettkämpfe, den Einfluss externer Faktoren wie Wetter auf den Spielausgang, usw.). Sie lassen sich damit nicht mehr in der selben Eindeutigkeit von herkömmlichen zivilrechtlichen Rechtsgeschäften abgrenzen. Vor diesem Hintergrund ist in Österreich der Sportwettenbereich liberalisiert und nicht Teil des Glücksspielmonopols des Bundes. Für ihn gelten die allgemeinen Schutzvorschriften des Zivil und Strafrechts für den Rechtsverkehr.
Im Lichte dieser Ausführungen ist in Österreich ohne glücksspielrechtliche Konzession des Bundesministers für Finanzen nur das Anbieten von Sportwetten erlaubt. Das Anbieten von Glücksspielen im Sinne des § 1 GSpG ist ohne glücksspielrechtliche Konzession des Bundesministers für Finanzen dagegen verboten.
Die in Ihrer Anfrage erwähnten Unternehmen besitzen keine glücksspielrechtliche Konzession des Bundesministers für Finanzen.
Die Homepage von bet-at-home.com bietet durch rechts oben stehenden "Reiter" drei Bereiche, nämlich Sportwetten, Casino und Poker. Die Glücksspieleigenschaften der international gebräuchlichsten "Poker"-Varianten sowie des Beobachtungsroulettes und damit die Rechtsansicht des BMF wurden bereits in mehreren letztinstanzlichen Entscheidungen bestätigt (zB VwGH 2000/17/0201 vom 8.9.2005; LG Feldkirch BI 84/01 vom 13.3.2002; UVS-06/6/SS95/1999/21 vom 3.8.2000).
Die Homepage von bwin.com weist neben dem Wettbereich ebenfalls die Bereiche Poker und Casino auf. Ein entgeltliches Angebot derartiger Glücksspiele in Österreich greift in das Glücksspielmonopol des Bundes ein.
Da für das Glücksspielgesetz von einem einheitlichen GIücksspielbegriff auszugehen ist, besteht damit auch der Verdacht auf Verstöße gegen § 52 Abs 1 Z 1 GSpG und § 56 Abs 1 Z 3 GSpG.
Zur Frage 2:
Die gegenständlichen Werbespots, die dem BMF durch die Komm Austria übermittelt wurden und nun vom Bundeskommunikationssenat neuerlich deskpritiv beschrieben wurden, enthalten selbst keine ausdrücklichen Hinweise auf verbotenes Glücksspiel. So bewirbt der TV-Spot von bwin.com ausschließlich Sportwetten, während der TV-Spot von bet-at-home.at überhaupt nur den Slogan "Das Leben ist ein Spiel" transportiert. Erkennbarer Zweck der Spots ist allerdings in beiden Fällen der Verweis auf die Homepages, die eben zu einem erheblichen Anteil auch in Österreich nicht erlaubtes Glücksspiel enthalten. Es bleibt der anfragenden Behörde in ihrer Entscheidungskompetenz und -verantwortung überlassen, diesen Sachverhalt entsprechend zu würdigen.
Kommt die anfragende Behörde zu dem Ergebnis, dass die Werbespots gegen das GSpG verstoßen, so stellt sich auch die Frage nach der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung der Rundfunkveranstalter. Der Gesetzgeber hat nämlich sowohl in § 52 Abs 1 Z 1 als auch in § 56 Abs 1 Z 3 GSpG bewusst weit auch die "Ermöglichung der Bewerbung" in die Strafbarkeit einbezogen, um eine wirksame Handhabe gegen die Verbreitung illegalen Glücksspiels zu einzurichten (vgl 297 Blg NR 22.GP1). Dies wird durch § 14 Abs 1 Z 60 RF-G für Fernsehwerbung offenbar weiter effektuiert.
Zur Zusatzfrage:
Nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen sowie des Bundeskanzleramtes Verfassungsdienst hält die österreichische Rechtslage in den oben angesprochenen Punkten einer europarechtlichen Überprüfung stand.
Demnach ist insbesondere das Werbeverbot des § 56 GSpG aus gemeinschaftsrechtlicher Perspektive schon durch einen Größenschluss aus der bisherigen EuGH-Judikatur gerechtfertigt, hat der EuGH die Zulässigkeit weit gehender Beschränkungen im Glücksspielbereich auch mehrfach, auch im oft zitierten Gambelli-Urteil, bestätigt.
So gesteht der EuGH Mitgliedstaaten das weitgehende Ermessen zu, Glücksspiele vollständig oder teilweise zu verbieten. Aus dem Umstand, dass ein Mitgliedstaat diesen oder jenen Weg wählt, folge nichts für die "Beurteilung der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmung" (Urteile Läärä, Rz 36 bzw. Zenatti, Rz 34). Weiters sprach der EuGH aus, dass die Gewährung eines ausschließlichen Betriebsrechtes an eine öffentlich-rechtliche Vereinigung nicht unverhältnismäßig sei (Urteil Läärä). Anerkennt jedoch der EuGH die Zulässigkeit, das Betriebsrecht aus Spielerschutzüberlegungen auf bestimmte Unternehmen einzugrenzen, ist ein Werbeverbot für andere Angebote nur die logische Konsequenz aus dieser zulässigen Beschränkung.
Wenn die Republik Österreich daher gemeinschaftsrechtlich zulässiger Weise ein Konzessionssystem installieren kann, das den Wettbewerb bis zu einem gewissen Grad zu den Zeitpunkten der Lizenzvergabe bündelt und für ein kontrolliertes und staatlich überwachtes, mit strengen Spielerschutzauflagen versehenes Angebot sorgt, so muss auch das Verbot von Werbemaßnahmen für andere und damit auch ausländische Glücksspiel angebote gemeinschaftsrechtlich erlaubt sein. Die direkte Bewerbung ausländischen Glückspiels, das nicht unter der strengen inländischen Aufsicht steht, darf aus österreichischer Sicht verboten werden, um den gesellschaftspolitischen Auftrag der Gewährleistung eines ausreichenden Spielerschutzes wahrnehmen zu können. Die in § 56 GSpG angedrohten Strafen (Geldstrafe bis zu 3 000 Euro; bei Vorsatz bis zu 22 000 Euro) sind dabei aber im Übrigen im internationalen Vergleich im unteren Bereich angesiedelt (vgl dazu etwa § 287 des deutschen Strafgesetzbuches, das ein gerichtlich strafbares Delikt mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr normiert).
Die soeben dargelegte österreichische Position wurde jüngst durch die letzten Judikaturentwicklungen auf europäischer Ebene bestätigt. So hat der EuGH am 6. März 2007 in der Rs Placanica ausdrücklich ausgesprochen, dass "ein Konzessionssystem ... ein wirksamer Mechanismus sein [kann], um die Im Bereich der Glücksspiele tätigen Wirtschaftsteilnehmer mit dem Ziel zu kontrollieren, der Ausbeutung dieser Tätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen" (Rz 57). Den vom Generalanwalt noch diskutierten Anerkennungsgrundsatz ausländischer Konzessionen hat der EuGH nicht aufgenommen. Die Akzeptanz der Installation eines nationalen Konzessionssystems setzt allerdings denklogisch auch die Zulässigkeit von Verboten ausländischer Glücksspiele voraus, da andernfalls eine nationale Konzessionsvergabe wirkungslos wäre. Darüber hinaus hat der EFTA-Gerichtshof am 14. März 2007 sogar die Reverstaatlichung von Teilen des norwegischen Glücksspiels für zulässig erklärt und daher die Zulässigkeit von staatlichen Monopolen im sensiblen Bereich des Glücksspiels weiter gestärkt.
09.05.2007
Für den Bundesminister:
Dr. Franz Philipp Sutter
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