Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird sein bereits seit längerer Zeit erwartetes Urteil in den verbundenen Rechtssachen Placanica u. a. (Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04) am Dienstag, den 6. März 2007, um 9:30 Uhr verkünden. Die betroffenen Anbieter und Vermittler sowie viele Gerichte und Behörden erwarten sich von dieser Entscheidung eine weitere Klärung der Rechtslage beim binnengrenzüberschreitenden Angebot von Sportwetten.
Wie bei dem Gambelli-Urteil und dem zuvor ergangenen Zenatti-Urteil liegt der Placanica-Entscheidung ein strafrechtliches Vorgehen gegen Sportwettenvermittler zugrunde, die Verträge über Sportwetten aus Italien an einen britischen Buchmacher, die Firma Stanley International Betting Ltd., vermittelt hatten. In den nunmehr vom EuGH zu beurteilenden drei Vorlageverfahren hatten zwei italienische Gerichte, das Tribunale Larino und das Tribunale Teramo, grundlegende Zweifel an der Rechfertigung des italienischen Konzessionssystems und an der strafrechtlichen Sanktionierung geäußert.
Hintergrund für die erneute Vorlage trotz des Ende 2003 ergangenen Gambelli-Urteils war ein kurz danach verkündetes Urteil des italienischen Kassationsgerichtshofs (Corte suprema di cassazione). Dieser hatte in seiner Entscheidung Nr. 23271/04 festgestellt, dass es nicht Aufgabe des Richters sei, über die Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit von Strafandrohungen zu entscheiden. Die dem britischen Buchmacher erteilte Erlaubnis habe nur territorialen Charakter.
An der Vereinbarkeit dieser Argumentation mit Europarecht äußerten die vorlegenden italienischen Gerichte durchgreifende Zweifel. In dem Gambelli-Urteil hatte der EuGH nämlich ausdrücklich eine Prüfung der Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit gefordert und auf die Überwachung im Heimatstaat des Buchmachers hingewiesen.
Der Generalanwalt des EuGH Colomer veröffentlichte am 16. Mai 2006 seine Schlussanträge, ein umfangreiches Rechtsgutachten, zu dieser Rechtssache. Er kam zu dem Schluss, dass eine Überwachung im Heimatstaat des Buchmachers ausreichend sei. Der italienische Ansatz, sich auf den Territorialcharakter der Zulassung zu berufen, verstoße gegen die Gemeinschaftstreue. Aus dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung schloss der Generalanwalt: „Wenn danach ein Veranstalter aus einem anderen Mitgliedstaat die dort geltenden gesetzlichen Anforderungen erfüllt, müssen die Behörden des Staates, in dem die Dienstleistung erbracht wird, davon ausgehen, dass dies eine ausreichende Garantie für seine Integrität ist.“ Im Übrigen beurteilte er die italienischen Bestimmungen als diskriminierend, so dass sie bereits alleine aus diesem Grund nicht anwendbar seien. Darüber hinaus seien die Bestimmungen auch nicht verhältnismäßig.
Es bleibt spannend, ob der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts im Wesentlichen folgen wird oder nicht. Einerseits betrifft die Rechtssache ein hochpolitisches Thema, so dass der Gerichtshof vielleicht eine zu klare Aussage vermeiden will. Diese hätte, wenn der EuGH den Schlussanträgen folgen sollte, erhebliche finanzielle Auswirkungen (auch auf Deutschland), da es das faktische Ende des staatlichen Monopols bedeuten würde. Andererseits wird es der EuGH wohl nicht dulden, dass ein nationales Höchstgericht (hier der italienische Kassationsgerichtshof) seine Rechtsprechung, hier insbesondere die erst kurz zuvor formulierten Gambelli-Kriterien, grob missachtet. Auch angesichts tausender Gerichtsverfahren vor nationalen Gerichten wäre ein die Rechtslage klärendes „Machtwort“ aus Luxemburg aus Sicht der Praxis mehr als wünschenswert.
aus: Sportwettenrecht aktuell Nr. 64
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