Mittwoch, 30. Mai 2007

VEWU: Europa erhöht den Druck

EU-Kommission schickt zweite kritische Stellungnahme zum Glücksspielstaatsvertrag

Die EU-Kommission verschärft ihre Kritik am deutschen Glücksspielstaatsvertrag. In seiner Stellungnahme vom März 2007 hatte sich der EU-Kommissar Verheugen zunächst nur zu den für die Notifizierung relevanten Themen (Internetzugang etc.) kritisch geäußert, aber bereits angekündigt, auch zu den anderen Bestimmungen des Staatsvertrags ausführlich Stellung zu beziehen. Jetzt liegt der Bundesregierung ein achtseitiges Schreiben der EU Kommission Binnenmarkt und Dienstleistungen vor, das an die Substanz des geplanten Glücksspielstaatsvertrags geht.

Darin kritisiert die Kommission den Verstoß Deutschlands gegen vier zentrale Grundwerte des EU-Vertrags:

1. Beschränkung des freien Kapitalverkehrs

Die Kommission kritisiert, dass z.B. ein deutscher Bürger, der sich im EU-Ausland aufhält, nicht seine aus Deutschland stammende Kreditkarte benutzen darf, um Glücksspiele im Internet zu bezahlen, die im EU-Ausland erlaubt sind. Deutschland müsse berücksichtigen, dass Glücksspiele, für die ein anderer EU-Mitgliedsstaat eine Genehmigung erteilt hat, nicht per se rechtswidrig seien. Ebenso wenig könne die deutsche Glücksspielaufsicht vor diesem Hintergrund Finanzdienstleistungsunternehmen an der Ausübung ihrer Grundfreiheiten aus dem EG-Vertrag hindern.

2. Werbebeschränkungen

Das generelle Werbeverbot für öffentliches Glücksspiel im Internet, im TV oder über das Telefon geht nach Ansicht der Kommission über das erforderliche Maß hinaus, auch wenn das Ziel der Suchtprävention im Vordergrund steht. Warum die Werbung für Glückspiele per Post, in der Presse und im Radio oder auf andere Weise erlaubt bleiben soll, erschließt sich der Kommission nicht und das Verbot für Trikot- und Bandenwerbung für Sportwetten belege die fehlende systematische Strategie zur Bekämpfung der Spielsucht, da dieses Verbot nur für Sportwetten gelte. Auch könne es nicht sein, dass eine ausländische Mannschaft mit strafrechtlichen Sanktionen rechnen müsse, nur weil sie in einem deutschen Stadion mit dem Logo eines in ihrem Herkunftsland rechtmäßigen Sponsors aus der Glücksspielbranche aufläuft. Die Kommission weist ausdrücklich darauf hin, dass die Werbeverbote unverhältnismäßig und nicht geeignet sind, die im Vertragsentwurf definierten Ziele zu erreichen.

3. Begrenzung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit

Die Kommission merkt kritisch an, dass die Länder die Zahl der Annahmestellen begrenzen, nicht aber reduzieren wollen. So gehe aus dem Staatsvertrag eindeutig hervor, dass die Zahl der ca. 27.000 Annahmestellen auch in den kommenden vier Jahren beibehalten werden soll. Daraus leite sich eine Beschränkung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit in Deutschland ab für alle Spielevermittler mit Sitz in einem EU-Mitgliedsland, die ihre Dienstleistungen auf dem deutschen Markt anbieten möchten. Zwingende Gründe des Allgemeininteresses könnten hierfür keine Rechtfertigung liefern, da Beschränkungen in jedem Falle diskriminierungsfrei angewandt werden müssten.

4. Wettbewerbsbeschränkungen

Die Kommission gelangt zu dem Ergebnis, dass die Bestimmungen des Staatsvertrags, die sich auf das Erfordernis der „Lokalisierung“ beziehen, gegen die EG-Wettbewerbsregeln verstoßen. Die Kommission verweist auf die Entscheidung des Bundeskartellamtes, das die regionale Marktaufteilung von Lotto bereits im August 2006 verurteilte, und gelangt zu dem Ergebnis, dass die Bestimmungen, die eine territoriale Marktabschottung herbeiführen mit dem EG-Wettbewerbsrecht unvereinbar sein dürften.

Die Kritik der Kommission an dem Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags ist mehr als deutlich ausgefallen. Dass es sich bei den Vorwürfen nicht um „Kavaliersdelikte“ handelt, steht außer Frage. „Spätestens jetzt kann niemand mehr ernsthaft behaupten, dass der deutsche Glücksspielstaatsvertrag europarechtskonform ist. Die Kommission hat Deutschland unmissverständlich mitgeteilt, dass dieser Gesetzentwurf die Grundfesten des EG-Vertrags verletzt. Für uns gibt es keinen Zweifel, dass der EuGH, der auch über eine entsprechende Vorlage des VG Gießen entscheiden wird, die schwerwiegenden Verstöße gegen zentrale Grundfreiheiten des EG-Vertrags verurteilen wird“, so Markus Maul, Präsident des Verbands Europäischer Wettunternehmer (VEWU).

Deutschland hat nun Zeit, bis Mitte Juli zu dem Schreiben der Kommission Stellung zu nehmen. Zu diesem Zweck hat die Kommission auch einen persönlichen Gesprächstermin angeboten. „Vielleicht gelingt es ja den Vertretern der Kommission, die deutsche Politik im persönlichen Gespräch von einer separaten Regelung für Sportwetten und Lotto zu überzeugen. Diese Option wäre für alle Beteiligten sinnvoll und würde die unnötigen juristischen Auseinandersetzungen endlich beenden. Mit einer Liberalisierung und Trennung der Sportwetten von den staatlichen Lotterien würden die Sportwettunternehmer eine verlässliche rechtliche Basis für ihre unternehmerische Tätigkeit erhalten und Lotto könnte in gewohnter Form seine Produkte vertreiben. Wir haben wahrlich genügend Wege und Maßnahmen aufgezeigt, wie auch in einem kontrollierten Sportwettenmarkt effizienter Jugend- und Verbraucherschutz seitens der Privaten gewährleistet sowie die Einnahmen des Staates und damit auch des Sports gesteigert werden können. Deutschland hat noch immer die EU-Ratspräsidentschaft und sollte den EG-Vertrag nicht mit Füßen treten“, so Markus Maul abschließend.

Die vollständige Stellungnahme der EU-Kommission Binnenmarkt und Dienstleistungen ist auf der Seite www.vewu.com abrufbar.

Pressemitteilung des Verbandes Europäischer Wettunternehmer (VEWU) www.vewu.com

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